Grossformate
"Sprungbereit
1996
Tempera/Öl auf
Leinwand
126 x 136cm
 
 
 
 
 
 
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zu Malerei


 

Zitat der Berliner Künstlerin "heliopo" zu diesem Bild:

Ein skureales Drama ***Ein Teil : "Open End" ***.
Jede Figur für sich in seinen persönlichen Emotionen versunken.
Das Pferd sieht wohl noch so aus, als würde es seinen eigenen Widerwillen verspüren und zögert , mit dem Stechschrittsoldaten ins gleiche Ziel zu laufen .
Und der Künstler selbst, nackt und fassungslos in der Ecke .
Er sieht zwar auch durch seine schaffende Hand, kann aber seine beginnende Versteinerung nicht aufhalten.


Ja ihr lieben Liebenden, das Fernrohr , für den Allmächtigen in die egoistische Position gerichtet. Der ewige Kampf gegen die Windmühlen läuft weiter.

trällert ...."sag mir wo die Blumen sind ? wo sind sie gebliehieben? sag mir wo...

 

 

 

Prof. Dr. Jens Niebaum zu "Sprungbereit" von Thomas Bühler

(22.10.2010) Osnabrück

Thomas Bühlers Bild Sprungbereit führt den Betrachter ans Ende von Welt und Zeit. Das Geschehen spielt sich ab auf einer schachbrett-gemusterten Platte, die, durch einen rot-weißen Schlagbaum abgeschrankt, in den Weltraum hineinragt und nach hinten von einer Mauer gegen eine windmühlenbevölkerte Landschaft unter goldgelb schimmerndem Himmel abge-schlossen wird. Ein geflügeltes Pferd, das seinen linken Vorderlauf gerade über die Schranke setzt, trägt auf seinem Rücken, verkehrt herum sitzend, einen nackten Mann mit einer Lanze und eine nackte Frau, die beide Karnevalshüte tragen und sich miteinander und mit dem Roß vergnügen.Zu dessen Rechter marschiert ein zwergenhaft kleiner Soldat in Uniform mit Stahlhelm, Fahne und Bajonett im Stechschritt ebenfalls über die Schranke hinaus. An deren Kopf hat sich ein gesichtsloses Mischwesen mit flügelbewehrtem Helm postiert, das eine schwarz-rot-goldene Fahne verbrennt; an der rückwertigen Mauer hockt ein nackter bärtiger Mann, der das Gesicht resignativ in die Hand gelegt hat.

Zur Deutung dieser komplexen Bildstruktur liefert ein vom Künstler dazu verfasster Zweiteiler den Schlüssel: “Sprungbereit am Rand unserer Zeit / Fasziniert von den Feuern der Vergangenheit.” Es geht also um die Veranschaulichung einer zeitlichen Struktur, wobei die persönlichen Lebensumstände Bühlers eine wichtige Rolle spielen. So ist die Gestalt der Mauer deutlich der der Berliner Mauer nachempfunden, die der seit 1988 am Checkpoint Charlie lebende Künstler lange genung täglich vor Augen hatte. Sie markiert hier die – von Bühler sehr persönlich empfundene – Epochenscheide des Jahres 1989. Das Schachbrett-muster auf der Plattform, die das Jetzt vertritt, steht für Rationalität und Vernunftbetontheit unserer Zeit, das Treiben der darauf agierenden Gestalten freilich für die tatsächliche Unvernunft und damit gewissermaßen für den Gegensatz zwische Anspruch und Wirklichkeit. Der Schritt über die Schranke hinaus ins Kosmische hat für den auch astronomisch interessierten Bühler für sich nichts Schreckhaftes, wie die ruhige Weite des Allausschnitts verrät. Doch steigert sich die Ungewissheit angesichts des Zustands der Menschheit in eine merkwürdig zwischen Grotesk und Alptraumhaft schillernde Stimmung. Die viel zu kleinen Flügel des Pegasus vermögen ihn und die beiden Narren kaum durch die Lüfte zu tragen. Der Soldat läßt durch seine an NS-Banner erinnernde, zugleich zwergenhaft kleine Fahne, die anstelle des Hakenkreuzes das Universalsymbol der Windrose enthält, Haß und Nationalismus allerorten befürchten; das die deutsche Fahne verbrennende apokalyptische Mischwesen weist in eine ähnliche Richtung. Die beiden Narren auf dem Rücken des Pegasus sind mehr mit sich selbst beschäftigt und blicken, “fasziniert von den Feuern der Vergangenheit”, zurück anstatt nach vorne; dem an der Mauer hockenden Mann scheint nur noch die Flucht in die Resignation zu bleiben. In alledem steckt etwas von Blindensturz und Narrenschiff, und manche Motive erinnern nicht umsonst von fern an die Bilderwelten Boschs und Brueghels d. Ä. Bühler hat hier eine sehr persönliche Zukunftsvision geschaffen – skeptisch, unsicher, fragend, aber nicht pessimistisch-moralisierend und mit einer guten Portion zuweilen ins Schwarze hineinspielenden Humors.

Jun.-Prof. Dr. Jens Niebaum
Bibliotheca Hertziana (Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte)
Westfälische Wilhelms-Universität Münster


Jun.-Prof. Dr. des. Jens Niebaum

Bibliotheca Hertziana (Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte) / Westfälische Wilhelms-Universität Münster
www.biblhertz.it
niebaum@biblhertz.it
niebaumj@uni-muenster.de

+39 0669 993 257 (jeweils im Sommersemester)
+49 251 8325453 (jeweils im Wintersemester)

 Geboren am 12. Dezember 1974 in Osnabrück. Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und klassischen Archäologie in Bonn ab Oktober 1995. Mehrfache Tutorentätigkeit an der Universität Bonn (1996–99). Februar 2001 Magister Artium mit einer Arbeit „Zur Planungsgeschichte von Neu-St. Peter unter Julius II. Eine kritische Revision". 2001–2003 Promotionsstipendiat der Bibliotheca Hertziana. 2003–2007 Mitarbeiter mit wissenschaftlichen Aufgaben im Projekt Wissensgeschichte der Architektur (Bibliotheca Hertziana in Verbindung mit dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin). 2007 Promotion mit der Arbeit „Anfänge und Ausbreitung des kirchlichen Zentralbaus in der Renaissance" bei Prof. Dr. Georg Satzinger in Bonn. Seit Oktober 2007 Juniorprofessor für italienische Kunstgeschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Bibliotheca Hertziana.

  Forschungsschwerpunkte:

  • Architekturgeschichte der Renaissance und des Barock, vornehmlich Sakralbau
    Storia dell'architettura rinascimentale, specialmente architettura sacra
  • Planungs- und Baugeschichte von Neu-St.-Peter

  Publikationen (in Auswahl):

  • „Studien zum Osnabrücker Domkreuzgang", in Osnabrücker Mitteilungen 100 (1995), 267–278.
  • „Bramante und der Neubau von St. Peter. Die Planungen vor dem ‚Ausführungsprojekt'", in Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana 34 (2001/2002 [ersch. 2004]), 87–184.